Über den Trauerfall (2)
Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Omar Sharif, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.
Ehrung für sein Lebenswerk
19.02.2016 um 13:58 Uhr von TrauerMärchenprinz aus Tausendundeiner Nacht
19.02.2016 um 13:56 Uhr von TrauerDunkler Kinosaal, auf der Leinwand die von gleißender Sonne erhellte Wüste. In der Ferne, ganz hinten am Horizont, erscheint ein Reiter. Die Kamera sieht ihm minutenlang entgegen, wie er sich aus majestätischer Totale dem Zuschauer langsam und erhaben nähert und absattelt. Auftritt Omar Sharif in „Lawrence von Arabien“, der damit 1962 zum internationalen Star wurde. Am 10. Juli 2015 ist er 83-jährig in Kairo gestorben.
Von Rainer Dick
Ihn ein Bild von einem Mann zu nennen, hieße seiner flirrend virilen Exotik nicht gerecht zu werden. Omar Sharif war ein geheimnisvoller Prinz im Märchenland des Films, dunkel und anziehend zugleich, für die Frauen begehrens- und anschmachtens-, für die Männer beneidenswert. Seine fremdländische Attitüde war nicht bedrohlich, sondern umglänzt vom Schein der Verlockung, der Verführung und einer nicht einmal notdürftig verhüllten, fordernden und zugleich alle sinnlichen Begierden des weiblichen Publikums weckenden Leidenschaft. Mehr als jeder „Latin Lover“ war der Wüstensohn − vom Katholizismus zum Islam konvertierter Spross einer alexandrinischen Kaufmannsfamilie − die Verkörperung des Sex aus Tausendundeiner Nacht. Und der schien nicht nur überirdische Wonnen zu verheißen, sondern ließ alles „Schmutzige“ oder gar Profane karawanenweit hinter sich. Wie vor ihm bestenfalls vielleicht Rudolph Valentino bot Omar Sharif eine Projektionsfläche für alles, was seine Fans mit orientalischer „Sündhaftigkeit“, attraktivem Edelmut, weltmännischer Eleganz und einem melancholischen Zug ins Bizarre verbanden.
Dass er auch differenzierte Charaktere wie den von zwei Frauen geliebten, in Kriegsläuften und Revolutionswirren hart geprüften „Doktor Schiwago“ (1965) spielen konnte, spricht für seine künstlerische Integrität. Der immense internationale Erfolg der Pasternak-Verfilmung von David Lean trieb Sharifs Marktwert derart in die Höhe, dass ihn Hollywood in „Die Nacht der Generale“ (1967) sogar einen deutschen Wehrmachtsoffizier spielen ließ.
Was danach kam, spekulierte (meist zu Recht) nur noch auf seinen kassenwirksamen Namen. Die glühende Augenpartie unter dunklen Brauen ließen sogar den Schnauzbart vergessen, wenn er den „Untergang des Römischen Reiches“ (1964) beschleunigte oder als „Che“ (1969) fürs freie Kuba focht. Filme wie „Palast der Winde“ (1984) oder „Das Gesetz der Wüste“ (1989) bedienten sich derweil effektvoll seines Image − und festigten es zugleich auf eine Art und Weise, die ihn alterslos machte.
Auch in seinem schlagzeilenträchtigen Privatleben bediente Sharif verlässlich den eigenen Nimbus. Affären mit diversen Kolleginnen gehören ebenso in dieses Kapitel wie seine Begeisterung für Glücksspiele, die ihm den Weltmeistertitel 1973 im Bridge ebenso bescherte wie den Offenbarungseid, nachdem er bis 1982 mindestens zehn Millionen Dollar am Roulettetisch verzockt hatte.
Bei seiner Rollenauswahl konnte er mithin nicht wählerisch sein. Immerhin geriet ihm die Verfilmung des Romans „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“, in der er den greisen Araber im Judenviertel von Paris spielte, 2003 zum persönlichen Triumph. Was bleiben wird, sind „Lawrence von Arabien“, „Doktor Schiwago“ und die Erinnerung an zwei Augen, die eine Kritikerin der ehrwürdigen „Times“ einmal mit der „Erotik schmelzender Schokoriegel“ verglich.