Henning Mankell

Henning Mankell

* 03.02.1948 in Stockholm, Schweden
† 05.10.2015 in Göteborg, Schweden
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Angelegt am 03.03.2016
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Der Mann, der Wallander erfand

03.03.2016 um 15:47 Uhr von Trauer

Der schwedische Schriftsteller Henning Mankell ist mit 67 Jahren seinem Krebsleiden erlegen – In seinem letzten Buch verarbeitete er seine Krankheit.

 

Von Martin Halter

 

Sein Buch „Treibsand“, in dem er über sein Leben mit Krebs schreibt, erschien gerade erst auf Deutsch, als Henning Mankell mit 67 Jahren in Göteborg an der Krankheit starb. Der Schwede wird als erfolgreichster Vertreter des melancholisch-brutalen, psychologisierenden und gesellschaftskritischen skandinavischen Krimigenres wie auch als engagierter Moralist in Erinnerung bleiben.„Keiner will sterben, weder jung noch alt. Sterben ist immer schwer“, schrieb Mankell in „Treibsand“: Wie die meisten seiner Bücher, in denen seine berühmteste Figur, Kommissar Kurt Wallander, nicht auftrat, ist es kein sonderlich gutes Buch. Der schwedische Autor, der vor zwei Jahren seine Krebserkrankung öffentlich machte, wollte jedoch im Angesicht des Todes noch einmal alles mitteilen, was ihm auf der Seele brennt: Kindheitserinnerungen, drängende Menschheitsprobleme von Analphabetismus bis Atommüll und natürlich: „Was es heißt, ein Mensch zu sein“. Für Henning Mankell hieß Menschsein: kämpfend vorwärts gehen und nie verzweifeln. Der Schwede wollte die Welt zu einem besseren Ort machen, und diesem Vorsatz ist er treu geblieben. In den 1960er Jahren protestierte er gegen Kapitalismus und US-Imperialismus, und im Grunde macht auch sein Wallander nichts anderes.

 

Dieser mürrische, depressive Muffel aus Ystad kennt keine Gnade mit den großen Schurken der Geschichte  – ob Politiker, Unternehmer, Militärs, Alt- und Neonazis –, aber er hat ein großes Herz für alle Verdammten dieser Erde: misshandelte Frauen, Schwarzafrikaner, Palästinenser, Flüchtlinge.

 

Henning Mankell, 1948 als Sohn eines Richters in Stockholm geboren (seine Mutter beging früh Suizid), war ein waschechter 68er. Wie so viele Angehörige seiner Generation protestierte er gegen Vietnamkrieg und Apartheid. Als Regieassistent im Theater wollte er die „Gesellschaft demaskieren“, er schwärmte von freier Liebe, internationaler Solidarität und vom einfachen Leben „am Boden der Gesellschaft“.

 

1972 fuhr er zum ersten Mal nach Afrika; das veränderte sein Leben. Häufiger als in Schweden traf man ihn nun in seiner Wahlheimat Mosambik an, wo er auch eine Theatertruppe von Straßenkindern leitete. Dementsprechend groß war dort auch die Trauer über seinen Tod:  „Wir sind sehr schockiert“, sagte Birgit Plank-Mucavele, die Leiterin des deutsch-mosambikanischen Kulturzentrums in Maputo. „Mankell hat sich sehr für Afrika engagiert und den Menschen nicht nur Träume vorgesetzt.“ 

 

Mankell schrieb gesellschaftskritische Theaterstücke, Kinder- und Jugendbücher, Afrikaromane wie „Der Chinese“ und „Chronist der Winde“, Essays und Krimi-Drehbücher. Der Durchbruch aber kam er erst mit den zehn Wallander-Krimis, die zwischen 1991 und 2010 entstanden sind („Mord im Herbst“ erschien auf Deutsch 2013) und alle verfilmt wurden, zum Teil sogar mehrfach. Als der alte Schwede im letzten Buch für immer ins Schattenreich der Demenz abtauchte, war die Trauer groß; am größten wohl in Deutschland, wo 15 Millionen der weltweit 40 Millionen Mankell-Bücher verkauft wurden. 

 

Vor seinem Erfolg galt zumindest hierzulande ein Ermittler im Krimigenre noch weitgehend schlicht als Figur, die einen Fall löst.   Mankell erst hat als erfolgreicherer Nachfahre des schwedischen Autorenduos Maj Sjöwall und Per Wahlöö, die bereits in den 1960er Jahren ihre sozialkritischen Kriminalromane um Martin Beck ersonnen haben, jene Art von Buch- und Film-Kommissar populär gemacht, der heute allerorten dominiert: die gebrochene Figur, die ihr Privatleben nicht wirklich in den Griff bekommt und deren berufliche Leistung darunter auch leidet. Den Kriminalisten als Mensch.

 

Henning Mankell war in dritter Ehe mit Ingmar Bergmans Tochter verheiratet; er war ein Mann mit protestantischem Arbeitsethos und moralischem Pathos, der vor Ungeduld und Wut brannte. Das Erfolgsgeheimnis seines Helden aber sah er wohl nicht zu Unrecht in Kurt Wallanders allzu menschlichen Schwächen und Krankheiten: Alkohol, Depressionen, Diabetes, Vater-Tochter-Konflikte, allgemeiner Weltekel, zuletzt Alzheimer.

 

Der Autor Mankell teilte manche Eigenschaften mit seiner Figur, etwa die Liebe zur Oper, seinen Kommissar aber liebte er nicht. Wallander war für ihn nur eine „Lokomotive“, ein nützliches Instrument, um seine politischen Anliegen besser transportieren zu können. Mankell wollte nie einen Krimi um seiner selbst willen schreiben. Wichtig war für ihn die gerechte Sache, aus der sich alles ergab: Figur, Geschichte, Spannung, zuletzt vielleicht auch Literatur.

 

Bei seinem Abgang ließ er Wallander sich als „ängstliche und unsichere Randfigur“ auf der Bühne der Geschichte bezeichnen; er sei nur ein verwirrter, gedankenloser Sozialdemokrat, im Grunde ein unverbesserlicher Egoist, Frauenhasser und Rassist. Aber das war dann doch zu viel der Selbstzerknirschung. Kurt Wallander war einer von uns, weil er manchmal eben auch gegen die Prinzipien politischer Korrektheit und gesunder Ernährung verstieß. Mankells ungeliebter Held jedenfalls gewann ein Eigenleben in den Köpfen und Herzen seiner Fans, mit dem der Autor nicht immer glücklich war.

 

Mankell stand in seinen Anfängen in der Tradition der sozialdemokratischen Krimis von Sjöwall/Wahlöö, aber er hat auch selber Schule gemacht: Der bis heute anhaltende Erfolg der Skandinavien-Krimis wäre ohne ihn undenkbar. Auch die Tourismusbehörden von Schonen müssen ihm dankbar dafür sein, dass er die beschauliche Kleinstadt Ystad zum Schauplatz brutaler Massaker und weltumspannender Verschwörungen machte. Mankell glaubte nie an Gott („Hier und jetzt, mehr ist es nicht.“), aber er verwahrte sich auch dagegen, dass die Toten jemals tot seien: „Solange ich mich an sie erinnere, leben sie.“ Jetzt ist Henning Mankell mit 67 Jahren in Göteborg dem Krebs erlegen. Er wollte mehr als Treibsand in der Wüste sein, und das wird man ihm nicht so schnell vergessen.

Der populäre Krimi-Autor starb an Krebs

03.03.2016 um 15:33 Uhr von Trauer
Foto Der populäre Krimi-Autor starb an Krebs für Henning Mankell

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