Egon Bahr

Egon Bahr

* 18.03.1922 in Treffurt, Preußen
† 19.08.2015 in Berlin, Deutschland
Erstellt von Trauer Portal
Angelegt am 24.03.2016
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24.03.2016 um 14:24 Uhr von Trauer

Egon Bahr gilt als Architekt der Ostpolitik, mit der die Bundesregierung unter Willy Brandt die Beziehungen zur DDR und den übrigen Ostblockstaaten verbesserte. Der SPD-Politiker ist im Alter von 93 Jahren gestorben.

 

Von Ralf Joas

 

Der Begriff ist ziemlich aus der Mode gekommen. Aber Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre war in den Nachrichten häufig vom „Unterhändler“ die Rede – und in vielen Fällen war Egon Bahr gemeint. Dieser kleingewachsene, stets etwas kauzig-verschmitzt wirkende Mann war der Prototyp des Politikers, der eher hinter denn vor den Kulissen wirkt, der im Verschwiegenen, oft auch im Geheimen unermüdlich versucht, Kontakte zur Gegenseite zu knüpfen und zu vertiefen.Es war die Zeit der „neuen Ostpolitik“ unter Bundeskanzler Willy Brandt, als Egon Bahr als Brandts Staatssekretär und später Bundesminister zur wohl wichtigsten Bonner Kontaktperson zur Führung der DDR in Ostberlin, aber auch zu den sowjetischen Kreml-Herrschern wurde. Aber der 1922 im thüringischen Treffurt geborene Bahr war nicht nur ausführendes Organ. Er war Architekt, ja Miterfinder jener Ostpolitik, mit der die damalige sozialliberale Koalition versuchte, das Verhältnis zur DDR auf eine neue Grundlage zu stellen – beziehungsweise ein solches Verhältnis erst einmal zu schaffen.

 

„Wandel durch Annäherung“ – mit dieser griffigen wie für die damalige Zeit geradezu unerhörten Formel sorgte Bahr 1963, zwei Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer, für Aufsehen. Der Formel lag die Überzeugung zugrunde, dass der deutsch-deutsche Status quo nur überwunden werden konnte, wenn man ihn zunächst einmal anerkannte – ein in der ideologisch aufgeladenen Zeit des Kalten Krieges hoch umstrittenes Konzept, das für viele an Landesverrat grenzte. Brandts Amtsvorgänger Kurt Georg Kiesinger hatte die DDR noch als „Phänomen“ tituliert.

 

Aber dieses „Phänomen“ bekamen Millionen Menschen im geteilten Berlin und in der DDR tagtäglich zu spüren. Diesen Menschen ihr Leben zu erleichtern, war ein wichtiges Motiv des gelernten Journalisten Bahr und derer, die die „neue Ostpolitik“ befürworteten. Dabei war ihm ebenso wie Brandt –  beide standen sich auch menschlich nahe –, klar, dass der Schlüssel zur deutschen Frage nicht in Ost-Berlin hing. Ob ihre Ostpolitik gelingen würde, darüber wurde in der Sowjetunion, der politischen und militärischen Führungsmacht des Ostblocks, entschieden. Folgerichtig stand der Moskauer Vertrag, in dem die Bundesrepublik und die Sowjetunion 1970 den Verzicht auf Gewalt erklärten, am Anfang einer Reihe von Abkommen, die 1972 in den deutsch-deutschen Grundlagenvertrag mündeten.

 

Mit ihm erkannte die Bundesrepublik die DDR als zweiten deutschen Staat an, ohne auf das Gebot der Wiedervereinigung zu verzichten. Den Verträgen vorausgegangen waren unzählige Gespräche und Verhandlungen zwischen Bahr und den jeweiligen Unterhändlern in Ost-Berlin und Moskau; misstrauisch beäugt nicht nur von der oppositionellen CDU/CSU. Auch den westlichen Partnern war die neue deutschland- und außenpolitische Eigenständigkeit der Bundesrepublik zunächst nicht geheuer.

 

Wenn in Würdigungen auf Egon Bahr immer wieder der Begriff „Vordenker“ auftaucht, dann schimmert dabei auch die ernüchternde Erkenntnis durch, dass es an solchen Vordenkern derzeit – nicht nur hierzulande – fehlt. Gerade vor diesem Hintergrund bleibt die Ost- und Entspannungspolitik, für die Egon Bahr gemeinsam mit Willy Brandt wie kein anderer steht, ein glänzendes Stück bundesrepublikanischer Geschichte.

 

Bahr und Brandt, die sich ideal ergänzten, waren die ersten politischen Mauerspechte; sie machten den Eisernen Vorhang ein Stück weit durchlässiger; sie schufen damit zugleich die ersten Voraussetzungen für den Fall der Mauer. Nach dem Rücktritt Willy Brandts leitete Bahr noch zwei Jahre das Entwicklungshilfeministerium, übernahm danach für fünf Jahre den Posten des SPD-Bundesgeschäftsführers. Bis in seine letzten Lebensmonate hinein trieb Egon Bahr das Thema der europäischen Friedensordnung um. Er gehörte zu jenen, die im aktuellen Konflikt mit Russland stets zur Mäßigung und zur Verständigung mahnten. Bahrs historisches Vermächtnis als Politiker aber bleibt, den Ist-Zustand nicht zu akzeptieren, sondern auf friedlichem Wege beharrlich, mit einer „Politik der kleinen Schritte“, an einer besseren Welt zu arbeiten. 

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24.03.2016 um 14:17 Uhr von Trauer
Foto Gedenkfeier für Egon Bahr für Egon Bahr

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