David Bowie

David Bowie

geb. David Robert Jones
* 08.01.1947 in Brixton, United Kingdom
† 10.01.2016 in New York, USA

Angelegt am 18.02.2016
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Der Verwandlungskünstler

18.02.2016 um 10:48 Uhr von Trauer
Foto Der Verwandlungskünstler für David Bowie

Der vom Himmel fiel

18.02.2016 um 10:40 Uhr von Trauer

Zum Tod  des Unsterblichen: Der geniale Musikerfinder David Bowie bleibt einer der Größten der Pop-Geschichte. Krebskrank, aber bis zum Ende schaffenswütig. An seinem 69. Geburtstag, dem 08. Januar 2016, erschien sein letztes Album „Blackstar“. Die Kritiken waren überaus wohlwollend. Zwei Tage später ist der Meister der Inszenierung, der größte Innovator des Pop, gestorben. Die Musikwelt trauert.

 

Von Susanne Schütz

 

Gerade erst hatte man sich wieder an ihn gewöhnt, den ernsten und etwas nostalgischen Bowie, der 2013 über Nacht, klammheimlich im Internet, mit der elegischen, ja gespenstischen Ballade „Where Are We Now?“ nach einer Dekade Pause wieder auftauchte. Brüchige Stimme, wehmütiger Text; schon ein Vermächtnis. Bowie erinnerte sich an seine Berliner Zeit, die späten 70er, die Clubs, die Grenze, aber vor allem an die Möglichkeit, einfach alles zu sein. Mit sich im Reinen klang er da. Wenig später wohl folgte die Krebsdiagnose. David Bowies Sohn Duncan Jones, der talentierte Filmemacher („Moon“), sprach von einem 18-monatigen Kampf gegen die Krankheit. Bowie füllte die Zeit mit neuer Musik, arbeitete an seinem Musical „Lazarus“ (uraufgeführt Ende 2015 in New York) und an „Blackstar“, der letzten Überraschung. Das Abschiedsalbum hat keinen roten Faden, zitiert vergangene Epochen, jazzt, improvisiert, verfremdet, klagt, bricht aus. Ein erneutes Erweitern des musikalischen Spektrums, ein letztes Aufbäumen, weniger versöhnlich als der Vorgänger „The Next Day“ (2013). Aber: keine Langeweile. Schon seit Wochen hatte David Bowie „Blackstar“ der Musikpresse zum Vorhören überlassen, untypisch in heutiger Zeit, wo doch das Geheimhalten die Spannung ins Unermessliche steigen soll. Aber David Bowie, der sich übrigens nach dem in englischen Verbrecherkreisen beliebten Wildwest-Messer des  Alamo-Kämpfers Jim Bowie (1796-1836) benannt hatte, war eben stets unberechenbar. Und offenbar war ihm doch wichtig, dass die Kritiker das Album unvoreingenommen hören konnten, nicht darin nach Spuren der Krankheit suchen. Nun wird es anders kommen. 

 

Lieber aber erinnern und zurückhören in Ehrfurcht. Am Anfang: der Blick. Ein Auge dunkel, eines hell, rätselhaft, wie überhaupt dieser Mann so unfasslich war. War es überhaupt ein Mann? David Bowie schien zunächst zwischen den Geschlechtern zu schweben, spielte früh mit Masken und Identitäten, war „Ziggy Stardust“, war Glam, aber auch mehr. Ein Kunstwerk, eine „living sculpture“, kein Spaßvogel; eins seiner Kostüme hat er sich beim Pirmasenser Dada-Vordenker Hugo Ball abgeschaut. 

 

Auf Teenager aber wirkt nach wie vor die Verheißung, die seiner Musik gerade auch durch die aufwendige Verpackung innewohnt, das Unerklärliche, vielleicht Verbotene, das Ausbruch aus dem Alltag verspricht. „Heroes“ entdeckt wohl jede(r) 15-Jährige einmal ganz frisch für sich und fühlt sich tief im Innern erkannt. Liebe trotz Mauern. „Helden für einen Tag“. Die deutsche Version, von Bowie selbst 1977 in Berlin  eingesungen, einst auch Soundtrack für „Christiane F.“, wirkt noch direkter. 

 

Oder diese abgründige Ballade um den verlorenen Astronauten Major Tom, dem Peter Schilling hierzulande das Geheimnisvolle beinahe entriss. „Space Oddity“ (1969) ist Bowies zweiter Song für die Ewigkeit. Ein Sehnen nach dem Ende der Einsamkeit. Ein entrücktes Liebeslied. Die ideale Botschaft des Pops an die unendlichen Weiten des Alls, aus denen dieser Sänger, der bürgerlich banal David Robert Jones hieß, vielleicht doch herabgestiegen sein mag. „Der Mann, der vom Himmel fiel“ war denn auch sein größter Schauspielerfolg. Und ein Thema, das ihn nicht losließ. Sein frisch uraufgeführtes Musical „Lazarus“ ist die Bühnenversion des verrätselten Science-Fiction-Films.

 

Spätestens seit den  kommerziellen Erfolgen mit der „Space Oddity“-Fortsetzung „Ashes To Ashes“ (1980) und dem Freddie-Mercury-Duett „Under Pressure“ (1981) war Bowie so etabliert, dass er sich auch in politische Fragen einmischen konnte. Subtil aber, über seine Kunst. Im Video zu „Let’s Dance“ (1983), dem zunächst oberflächlich wirkenden Titelstück seines größten Albumerfolges, porträtiert er ein Aborigine-Paar und zeigt ganz beiläufig die langjährige Unterdrückung der Ureinwohner Australiens auf. Dieser Clip erst stieß jene Diskussion an, die dann 1997 zur offiziellen Entschuldigung der Regierung in Canberra führte, erläutert der Kurzfilm „Bowie Down Under“, uraufgeführt auf der Berlinale 2015.

 

In Berlin aber wird nun besonders getrauert. Es wird wieder gepilgert – zur Hauptstraße 155 in Schöneberg, wo Krautrockfan Bowie von 1976 bis 1978 in einem unscheinbaren Haus wohnte, in einer WG mit Iggy Pop, der hier„Lust For Life“ schrieb. Bowie entdeckte die „Brücke“-Maler und den „Dschungel“, jenen narkotikareichen Nachtclub der Gegenkultur, voller Punks und Künstler. Und er war Musik. Die Alben „Low“, „Heroes“ und Lodger“ entstanden in den berühmten Hansa-Studios in Kreuzberg, die – Ironie des Schicksals  –  genau am Sonntag, Bowies Todestag, das Erscheinen von „Blackstar“ in einer öffentlichen Erinnerungsstunde mit Bowies altem Toningenieur Eduard Meyer feierten. Museal war der Brite aus Brixton sowieso, die große Bowie-Schau von 2013/2014, erst im Londoner V&A-Museum, dann im Berliner Gropiusbau, zelebrierte seine Musik, seine Innovationen, seine Unberechenbarkeit und seinen Perfektionismus. 

 

Als verloren in der Zeit beschrieb sich Bowie zu seinem 66. Geburtstag in „Where Are We Now?“ und flanierte noch einmal im Geiste durch Berlin. Eine berührende Traurigkeit weht durch das Stück. Ein Gefühl von Abschied, von Sterblichkeit, beschworen mit der Refrainzeile „Walking The Dead“: die Toten ausführen, als Toter wandeln. Im aktuellsten Video wiederum, zum Stück „Lazarus“ mit Zeilen wie „I’ve got nothing left to lose“ (ich habe nichts mehr zu verlieren), ist David Bowie gar auf dem Totenbett zu sehen. Nun ist der 69-Jährige, der immer da gewesen war, tatsächlich gestorben. Und  anders als die beschworene biblische Figur wird er nicht auferstehen. Doch wirklich gegangen ist er nicht, seine Musik bleibt, sein Versprechen hat er nie gebrochen: 'I don't know where I'm going from here, but I promise it won't be boring.'

Gedenkkerze

Trauer & Gedenken

Entzündet am 18.02.2016 um 10:06 Uhr