Hellmuth Karasek

Hellmuth Karasek

* 04.01.1934 in Brünn, Tschechoslowakei
† 29.09.2015 in Hamburg, Deutschland

Angelegt am 24.03.2016
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Der Literat

24.03.2016 um 12:56 Uhr von Trauer
Foto Der Literat für Hellmuth Karasek

Die erste zweite Geige

24.03.2016 um 12:50 Uhr von Trauer

Zum Tod des Kulturjournalisten und passionierten Witzeerzählers Hellmuth Karasek, der an der Seite von Reich-Ranicki im „Literarischen Quartett“ berühmt wurde.

 

Von Markus Clauer

 

Seltsam, dass Hellmuth Karasek gerade dann sterben musste, als das 'Literarische Quartett' vor seiner Rückkehr stand. So als hätte der legendär schwitzende Kritiker, Laus-, Spitzbube, Mann, der im Original an Marcel Reich-Ranickis Seite saß, an sich erinnernd Platz gemacht. Die erste zweite Geige. Der witzige Sidekick des Literatur-Papstes. Karasek war ein notorischer Witzereißer, Kokettierer, Selbstironiker, Großdarstellers seiner selbst als   Kulturbetriebsklassenclown. Sein Tod könnte einem als letzte Pointe erscheinen. Zum Lachen indes ist sie nicht. Erst Reich-Ranicki, dann Raddatz, jetzt Karasek, die Götterdämmerung des Großkritikerwesens und BRD-Feudal-Feuilletons ist demografisch betrachtet, naheliegend. Aber furchterregend ist sie auch noch. Für Nostalgiker und Facebookvermeider jedenfalls, die einer Zeit der handgeschriebenen Texte und großspurig diktierten und großflächig diskutierten Meinungen nachhängen. Einem Milieu der geistreichen Linksliberalen und Stockkonservativen, das windig brillante Figuren wie Karasek möglich machte, und einer Öffentlichkeit, in der so etwas wie Deutungs-Relevanz noch auffindbar war. Ist da jetzt noch wer?

 

Karasek kam 1934 als eines von fünf Kindern im mährischen Brünn auf die Welt. Die Familie floh am Ende des Zweiten Weltkrieges vor der Roten Armee nach Sachsen-Anhalt. Ein Aufwachsen in zwei Diktaturen. 1952 machte Karasek aus der DDR in die Bundesrepublik rüber. Studium der Germanistik, Geschichte und Anglistik in Tübingen. Promotion. Karrierestart bei der „Stuttgarter Zeitung“, danach war der Wahl-Hamburger Karasek Theaterkritiker der „Zeit“, 20 Jahre Leiter des „Spiegel“-Kulturressorts, bis 2004 Mitherausgeber des „Tagesspiegels“. Dann schrieb er plötzlich für Springer und auch für „Bild“, was heute als beinahe salonfähig durchgewinkt wird; früher aber ging das gar nicht. 

 

Karasek kultivierte eben immer auch seinen ungenierten Hang zum Boulevard, riskierte ritterlich die eigene Angreifbarkeit und hatte diese leichte Schlagseite ins Joviale. Unnachahmlich war er nach dem Motto: Könnten Sie mir mal das Wasser reichen? Oder: Lieber eine gute Pointe als eine schlechte Welt. Gesetztheit hat ihn trotz seiner Alters-Beweinung „Süßer Vogel Jugend“ (2006) selbst als gereiften Mann und vierfachen Vater nie angeflogen. Seine letzte Buchbesprechung ist, statt in der „Welt“, auf Youtube verewigt. Vor einem Monat kam sie heraus. Im Sessel sitzt er, hat auf seinen Knien den Katalog von Ikea. Ein möblierter Roman, der einen anremple, meint Karasek. Viele Bilder. Die Personen kämen selten zu Wort. Fast 300.000 mal ist das Werbevideo schon angeklickt worden.  

„Ich wollte Journalist werden, natürlich auch, um die Großen dieser Welt sprechen, kritisieren und bewundern zu können“, heißt es in Karaseks Autobiografie „Auf der Flucht“. Und das gelang ihm. Er verkehrte mit Großen. Seine Billy-Wilder-Gesprächsbiografie wird international respektiert. Für andere Sachen des Öffentlichkeitsunscheuen dagegen setzte es schon wieder Niveauschelte. Für die 50er-Jahre-Remineszensen „Go West“ etwa. Oder seine als Roman verschlüsselte „Spiegel“-Denunziation „Das Magazin“. 

 

Anders als das geneigte Publikum mochte das seriöse Feuilleton   auch die Ehegeschichte „Betrug“ nicht so. Und das aus guten Gründen. Dito Glossenbücher wie „Frauen sind auch nur Männer“, nicht immer stilsichere Sammlungen wie „Soll das ein Witz sein?“. Sowieso nicht seine Auftritte im Fernsehen, bei denen er Blitzgescheitheit und Weltdummheit gleichermaßen verkörperte. Man ging auf Abstand – von beiden Seiten.  

 

Einmal in einer Quiz-Sendung kostete es eine Kandidatin fünf Millionen Euro, dass Karasek nicht wusste, was eine Flex ist. Ein anderes Mal ließ der Dr. phil. sich unbesorgt von einem 14-jährigen „Faust“-Kenner im ur-eigenen Metier düpieren. Wozu neben Mut auch großes Selbstbewusstsein gehört. Er fand das amüsant. 

 

Was er aber zeitlebens liebte, war es, einen Witz zu erzählen. Zum Schluss, mit über 80, ging sein liebster angeblich so. „Sagt ein Mann meines Alters zum Arzt, nach dem Sex habe ich immer so ein Pfeifen im Ohr. Sagt der Arzt: Was erwarten Sie, Standing Ovation?“ Karasek ist tot. Wie traurig. Jetzt wird im Himmel gelacht.

Gedenkkerze

Trauer & Gedenken

Entzündet am 24.03.2016 um 12:35 Uhr